Wetterbericht
Heute morgen
ist die große Ulme
kaum aus drei
Straßen Entfernung
zu erkennen, als
würde ich
noch im Haus
durch Gardinen
aus lichten Leinen
blicken und nicht
bereits mitten
auf dem Asphalt
noch in meinen
Schlappen mit der
zweiten Tasse Kaffee
in Hand gewandert.
Küstenwärts
schaue ich in Wahrheit
Lincoln Avenue
die Landzunge nieder
durch betonierten
Boden — dorthin, wo
das Rauschen des
von hier aus
unsichtbaren Lake
Michigans herkommt.
Unten herrscht
der Wind, aber hier oben
in der Nachbarschaft
ist alles still. Kein Wehen
ist auf der Haut
zu spüren. Man könnte
meinen, es sei gewöhnlicher
Nebel, der durch
das Laubwerk kriecht
bis an die Haustür.
Der Glauben wäre leicht
zu verzeihen. Aber
atme tief ein
und spüre — wie trocken
ist die Luft, taulos
der Rasen. Da fängt’s an
hinten im Hals
zu jucken
und am Augenwinkel
brennt plötzlich
der Sand. Außerdem
weiß ich doch, was hier
wirklich los ist —
laut dem gestrigen
Wetterbericht auf TMJ4
soll es in Sheboygan
County, wie auch
im ganzen Südwesten
des Bundesstaats Wisconsin,
dank starker nach Süden
blähende Föhnen
und ein bis auf 554,667 Hektar
verbreiteter Waldbrand
im kanadischen Saskatchewan
über 1,459 Meilen entfernt
die angeblich zweit-
schlechteste Luftqualität
weltweit von Heute
bis auf weiteres
geben. Ich merke, es wird
allmählich an der Zeit
in das grellblaue
Volkswagen meiner Mutter
zu steigen und die
anderthalb
Stunden fahren
zum Krankenhaus,
wo sie in Vorbereitung
auf ihre zweite Operation
am offenen Herzen
unterbracht ist.
Southbound auf I-43
rase ich durch wie zur Erde
gefallenen Wolken
und höre Lerchenzungen
In Aspik von King
Crimson. Angekommen
muss ich selbst
den Weg mir weisen
nur mit einer Zimmernummer
und dem Namen eines
von vier Türmen,
die den Campus bilden
und sich hoch
über die Bungalows
in den Schleier
erheben. Auf Station
kennt jeder
die DIVA (Difficult
Intravenous
Access) in B-117A.
Irgendwie ungestört
vom Monitor, der
ihren Sinus-
rhythmus abzählt, ist sie
eingeschlafen. Fixiert
mit artikulier-
barer Halterung
an die Wand, dem
Patienten zugewandt
läuft der Flatscreen
den ganzen Tag
stummgeschaltet
durch. Wie glänzend
von sich selbst
überzeugt
sind die Gesichter
der Experten. Analysen-
gestik, laut gemimte
Vokalen. Polierte Gewalt
der rotweißblauen
Einblendungs-
animation. Werbung
für Gartendünger
und Arby‘s. Im Gaza-Streifen
steht ein anderes
Krankenhaus
unter Artilleriebeschuss.
Es wird eine schleife
der aktuellsten Handyvideos
aus Perspektive
der Wegrennenden
für die zuletzt
Zugeschalteten
abgespielt. Werbung
für Dodge Ram. Draußen
erhellt die Skyline
Milwaukees blasswüstenrot.
Der Begutachter klopft,
kommt herein
die Versicherungs-
deckung zu prüfen. Auch wenn
er einen Pfleger gleicht,
ist er keiner.
Sogar hier auf Station
rieche ich Rauch.
Ich drehe mich
ihr zu — die, die vom
Fernsehen
orakelhaft, getrieben
nicht wegschauen kann.
Mutter, erzähle mir
wie es anfing —
die Geschichte
vom Brand.
Nun, der erste
Feuer sei angeblich
durch Blitzschlag
verursacht worden.
Diejenigen, die
für das Land verant-
wortlich waren
entschieden sich
gut, unsere Region
hat ein kontrolliertes Brennen
gebrauchen können.
Leider ist das ziemlich
schnell und trotz
ihrer guten Absichten
außer Kontrolle geraten
und brennt jetzt
weit hinüber
die gewünschten
Grenzen aus.
Es besteht
scheinbar keine
Hoffnung, den Brand
jemals einholen
zu können.
